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Gehörlosenseelsorge in der Evangelischen Kirche von Westfalen

29.09.2016

IEWG Konferenz in Budapest

Über 100 GehörlosenseelsorgerInnen aus 9 Ländern

Das war ein ganz besonderer Augenblick. Einige haben mir später gesagt: Ich hatte Gänsehaut. Vorne vor der Versammlung standen ca. 10 junge Erwachsene, alle waren gehörlos und das Besondere: alle studieren Theologie und möchten Pfarrer bzw. Pfarrerin werden!
Alle kamen aus verschiedenen Ländern: Norwegen, Schweden, Finnland, Dänemark, England und Madagaskar. Sie erzählten über ihre Probleme als gehörlose Theologiestudenten: Besonders beklagt haben sie die Isolation. Oft gibt es in einem Land nur eine einzige gehörlose Person, die Theologie studiert. Mit wem kann sie sich austauschen? Wie kann sie Unterstützung bekommen?
Oder etwas allgemeiner gefragt: Wie können Gehörlose ermutigt werden, dass sie selbst Verantwortung in der Kirche übernehmen? Welche Ausbildung brauchen sie dazu? Und: Wie müsste sich Kirche verändern, damit Gehörlose gleichberechtigt in der Kirche mitarbeiten können?
Das waren wichtige und spannende Fragen, mit denen sich die Internationale ökumenische Arbeitsgruppe (engl. Abkürzung IEWG) auf ihrer letzten Arbeitstagung im September in Budapest beschäftigt hat. Ehrenamtlich und hauptamtlich in der Kirche Arbeitende, Hörende und Gehörlose aus 9 Ländern waren in Budapest dabei. Für Deutschland waren aus Westfalen Sabine Schlechter (gl), Pfarrerin Heike Kerwin und Pfarrer Hendrik Korthaus angereist. Pfarrer Korthaus ist auch der deutsche Vertreter in der Leitungsgruppe der IEWG. Zusammen gestalteten sie auch eine Abendandacht. Sabine Schlechter leitete auch eine Workshop zum Thema Gebärdenchor.
Ein weiterer Tagungsschwerpunkt war die Arbeit mit taubblinden Menschen. Wir haben praktische Übungen gemacht: Wie begleitet man Taubblinde richtig? Aber auch hier war die Hauptfrage: Wie muss eine Gemeinde, wie muss eine Kirche sein, damit sich Taubblinde in ihr Zuhause fühlen können und ganz und gleichberechtigt teilhaben können?
In einem Vortrag wurde angeregt, beim 500jährigen Jubiläum der Reformation im nächsten Jahr nicht nur zurückzuschauen, sondern auch nach vorne in die Zukunft zu schauen und immer wieder zu überlegen: Wie müssen wir die Kirche verändern, dass alle sich in ihr wohlfühlen und die Kirche gleichberechtigt mitgestalten können?
Morgens und abends gab es eine Andacht, die von den einzelnen Ländern in internationaler Gebärdensprache gehalten wurden. Auch zu den Mahlzeiten an den Tischen wurde viel international gebärdet. Ansonsten war die Tagungssprache für die Vorträge und Diskussionen in den verschiedenen Arbeitsgruppen Englisch, das von Dolmetschern aus den verschiedenen Ländern für die gehörlosen Teilnehmer gedolmetscht wurde.
Am Ende der Tagung wurden uns die Veränderungen in der Leitungsgruppe mitgeteilt: 2 Personen schieden aus Altersgründen aus und wurden verabschiedet: der norwegische Präsident der Arbeitsgruppe und ein aus England stammender gehörloser Mann. Auch der nächste Präsident kommt aus Norwegen, und eine englische Pfarrerin arbeitet zukünftig in der Leitungsgruppe mit. Außerdem wird ein weiterer hörender Mann aus der norwegischen Gehörlosenkirche nun die Arbeit der Leitungsgruppe unterstützen. Dass diese Veränderungen ohne Wahl nur mitgeteilt wurden, lag daran, dass es sich um eine außerordentliche Tagung handelte.
Auch die Freizeit kam nicht zu kurz. Bei herrlichem Sonnenschein haben wir eine Schifffahrt auf der Donau genossen. Später gab es noch verschiedene Stadtführungen zu verschiedenen Sehenswürdigkeiten.

Heike Kerwin